Samstag, 24. Januar 2009
 
Aufruf zum Alternativengipfel in Lima PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von FDCL   
Montag, 14. Januar 2008

Im Mai 2008 wird in Lima, Peru, Enlazando Alternativas 3 stattfinden, als nächster Schritt zur Vernetzung zwischen europäischen und lateinamerikanischen sozialen Organisationen.

Zum dritten Mal seit 2004 werden wir in Lima/Peru im Mai 2008 den Alternativengipfel “Enlazando Alternativas 3” (Alternativen verknüpfen) durchführen, der von verschiedenen sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen aus Europa, Lateinamerika und der Karibik getragen wird. Dieses Treffen begreift sich als ein Gipfeltreffen der Völker beider Kontinente. Es wird parallel zum fünften Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas und der Karibik (LAC) und der Europäischen Union (EU) stattfinden, welches das wichtigste Forum für die Vertiefung der politischen Beziehungen zwischen den Regierungen beider Kontinente darstellt. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen, vor deren Hintergrund diese beiden Aktivitäten stattfinden, sind zweifellos von herausragender Bedeutung für die Zukunft der Menschen in unseren beiden Regionen.

 
In Lateinamerika und der Karibik haben es die sozialen Bewegungen – u.a. indigene Gemeinschaften, Gewerkschaften, MigrantInnen-, Jugend- und Frauenorganisationen, afrolateinamerikanische Gemeinden, UmweltaktivistInnen und viele andere – geschafft, in verschiedenen Ländern die (schlimmsten) Auswirkungen der in den neunziger Jahren angewandten Wirtschafts- und Sozialpolitiken zu bremsen. Diese als Umsetzung des 'Washington Consensus' bekannten so genannten “Reformen” hatten Krisen, Armut, sowie die Privatisierung und Transnationalisierung unserer Gesellschaften zur Folge.

 
In den letzten Jahren haben sich die breitgefächerten sozialen Bewegungen des lateinamerikanischen Kontinents auf verschiedenste Art und Weise gefestigt und gestärkt. Gleichzeitig haben sie eine Vielzahl verschiedener alternativer Erfahrungen gemacht und Projekte vorangebracht. Beispiele dafür sind die Kämpfe der ländlichen Bewegungen um Ernährungssouveränität, die der indigenen Bevölkerung um Land und natürliche Ressourcen, die der ArbeiterInnen für gerechte Löhne und soziale Rechte, die der Frauen, die Kämpfe gegen Straflosigkeit oder die der lateinamerikanischen MigrantInnen in den USA um die Anerkennung ihrer Rechte. Neben weiteren Errungenschaften, hat dies in verschiedenen Ländern dazu geführt, dass politische VertreterInnen, die in verschiedenen Ausmaßen mit dem Streben nach einem sozialen Wandel identifiziert werden, an die Regierung gekommen sind. Demgegenüber ist der Kampf gegen die Kriminalisierung von sozialen Protesten seitens einiger Regierungen der Region verstärkt als weiteres Konfliktfeld hinzugekommen.

 
In der EU ist die gegenwärtige Situation durch einen Frontalangriff gegen die Gesamtheit an Rechten und Errungenschaften im wirtschaftlichen, politischen, sozialen und Umweltbereich geprägt, die die Bevölkerung des “alten Kontinents” in jahrelangen Kämpfen durchgesetzt hat.

 
Speerspitze dieser Offensive ist eine vom Großkapital (den transnationalen Unternehmen, dem Finanzkapital und den europäischen Regierungen) verfolgte Strategie, die in einem ersten Schritt im Verfassungsvertrag der EU – der ja 2005 als Ergebnis der Volksabstimmungen in Frankreich und Holland verworfen wurde – ihren Niederschlag gefunden hatte. Heute wird versucht, diese Strategie durch einen neuen EU-Reformvertrag (‚Vertrag über die Arbeitsweise der Union') und die in der so genannten ‚Lissabon-Agenda' festgeschriebenen Orientierungen voranzutreiben.

 
Auch in dem EU-Strategiepapier „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt” werden die Zielsetzungen und Ausrichtungen einer neuen EU-Handelsstrategie deutlich benannt: Zur Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Konzerne wird in Verbindung mit einer Binnenmarktoffensive auf eine aggressive Außenhandelspolitik gesetzt – auf Kosten der Bevölkerung und der Umwelt in Europa und im Globalen Süden.

 
Dieser Offensive setzen die sozialen Bewegungen und Organisationen verschiedenste Widerstandsformen entgegen. Beispiele dafür sind der Widerstand gegen die Bolkestein-Richtlinie, die eine besondere Gefahr für öffentliche Dienstleistungen und Arbeitsrechte darstellt, die Kämpfe gegen den Krieg, gegen den wachsenden Militarismus, gegen die Festung Europa, die ImmigrantInnen die Türe verschließt oder gegen den Klimawandel. Besonders genannt werden müssen an dieser Stelle auch die Demonstrationen gegen die zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt und die Politik der sozialen Ausgrenzung in ganz Europa.

 
Wir alle in Europa, Lateinamerika und der Karibik sind von den Auswirkungen des so genannten globalen Kapitalismus betroffen. Dieser findet insbesondere in den vielen Abkommen zur Liberalisierung des Handels und von Investitionen seinen Ausdruck – Instrumente, die der Festigung und Vertiefung der Privilegien des Kapitals gegenüber den Rechten der Bevölkerung dienen. Das Europa des Kapitals und seine Regierungen verfolgen hiermit eine Politik der 'reconquista' (Wiedereroberung) Lateinamerikas, genau zwei Jahrhunderte nach dem Beginn der lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriege.

 
Unter dem beschönigenden Titel “Assoziationsabkommen über Wirtschaft und Zusammenarbeit” verhandelt die EU gegenwärtig neue Freihandels- und Investitionsschutz- abkommen mit der Andengemeinschaft, mit Zentralamerika und mit der Karibik. Gleichzeitig möchte sie die diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Mercosur wieder aufnehmen. Wie mit den bereits abgeschlossenen Abkommen mit Mexiko und Chile praktiziert, will die EU auf diese Weise die Vormachtsstellung ihrer transnationalen Unternehmen in der Region ausweiten.

 
Angesichts dessen setzen wir, wie schon in Guadalajara, Mexiko (2004), und Wien, Österreich (2006), auf neue solidarische Bündnisse zwischen den Menschen in Lateinamerika und der Karibik und in Europa. Wir wollen einen gemeinsamen Raum des politischen Austausches und der Mobilisierung beider Regionen aufbauen und vertiefen, der die gegenwärtigen Kämpfe und alternativen Ansätze verbindet, gleichzeitig die soziale Unzufriedenheit sichtbar macht und damit öffentlichen Druck von Unten schafft. Wir verbinden die Kraft unseres Widerstandes mit der anderer Bewegungen, die versuchen, die neoliberale Politik, die in beiden Kontinenten angewandt wird, abzuschaffen.

 
Wir schlagen vor, eine Agenda aus gemeinsamen Projekten und Alternativen zu formulieren, die die besten Vorschläge der sozialen Bewegungen aufnimmt. Wir setzen auf eine hohe Beteiligung der Bevölkerung bei der Verbreitung und Diskussion der Themenbereiche, die der offizielle Gipfel ansprechen wird, um diesem eine kritische Stimme entgegenzusetzen.

 
Im Mai 2008 wird es in Lima nicht nur viel Raum für eine kritische Analyse der Beziehungen zwischen Lateinamerika und der EU, einschließlich der Assoziationsabkommen, des Verhaltens multinationaler Konzerne, des Militarismus und der Kriminalisierung von sozialen Bewegungen in beiden Kontinenten geben. Darüber hinaus wird gleichzeitig ein Tribunal durchgeführt werden, um das Machtsystem der europäischen transnationalen Konzerne in Lateinamerika und der Karibik sowie in Europa selbst zu analysieren, anzuklagen und zu verurteilen.

 
Die OrganisatorInnen des Alternativengipfels 'Enlazando Alternativas 3' laden alle Mitglieder sozialer Netze und Bewegungen ein, nach Lima zu kommen, um dort aktiv und solidarisch an den Diskussionen über eine neue Form einer transatlantischen Allianz, die auf den Menschenrechten, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, der partizipativen Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden basiert, teilzunehmen.

 

Christian Russau
FDCL-Projektkoordination

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